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BBK Jahresausstellung 2022 // Künstler*innen

Evita Emersleben

www.evita-emersleben.de

geb. 1981 in Freiburg i. Brsg.
2009 – 2011 Bachelor of Fine Arts an Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg
2014 – 2017 Bachelor of Arts (Kunsttherapie) Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg

Untitled, 2020, Kussmunddruck, Lipstick Alterra Classic red auf Papier, je 100 x 70 cm, with Courtesy Galerie Crystal Ball
Untitled, 2020, Kussmunddruck, Lipstick Alterra Classic red auf Papier, ca. 200 x 150 cm, with Courtesy Galerie Crystal Ball
Lippen-Signatur, 2022, schwarze Din A5 Kladde,  ca. 50 Lippenstifte,  auf Sockel

Der individuelle Lippenabdruck ist wie ein Fingerabdruck. Der Lippenstift symbolisiert Verführung. Und den weiblichen Schönheitswahn. Lippenstiftflecken sind zu vermeiden, z. B. auf der Kleidung, das hat etwas Anstößiges und könnte auf eine heimliche Affäre hinweisen. In der Corona-Zeit verlor der Lippenstift etwas Aufmerksamkeit, ist er bei Maskenpflicht doch kein Thema mehr. Das Küssen bzw. die lockeren Begrüßungsküsschen waren in dieser Zeit ohnehin verboten, weil sie unhygienisch sind und zur Verbreitung des Virus beitragen.
Evita Emersleben entwickelte im Lockdown ihre Idee zu den Kussmonster-Performances, Ergebnis sind Portraits von Menschen, die ihr Modell gestanden haben und damit ein sehr präsenter Teil der Performance wurden. Die Werkreihe hat sie mit Selbstportraits begonnen. Mit Lippenstift arbeitet sie schon seit ihrer Studienzeit.
Direkt abgeküsst hat sie in einer anderen Performance auch jemanden, der steckte aber in einem kompletten Schutzanzug.
Die Aktion, die von ihrem eigenen Körper ausgeht, ist eine schmerzhafte und langwierige Prozedur und Arbeitshandlung, sie wirft das Gesicht ausdauernd gegen das Papier und benutzt den Mund, auf den sie vorher Lippenstift aufgetragen hat, als Druckstock. Sie druckt mit ihrem Mund und weiß, wie sie die Lippen dabei schürzen muss, hat Erfahrungen als Saxophonspielerin. Sie verwendet ihren eigenen Lippenstift, also den, den sie auch privat benutzt. Es beginnt mit koketten Gesten, später sieht sie aus wie ein Vampir oder als wäre sie verprügelt worden. Die Aktion ist aber auch positiv besetzt: es geht zurück ins Leben, zur Liebe und zur Freude.
Evita Emersleben verkörpert in ihren Performances nicht eine Figur oder Rolle, sondern zeigt sich selbst und ihren Wunsch nach Wahrnehmung und sozialer Aktion in sozialer Aktion. Sie negiert den egomanischen, autokratischen Künstler-Gestus als veralteten, unsozialen Impetus (Lydia Karstadt).
Zur Eröffnung hatte Evita Emersleben alle Besucher:innen eingeladen, ihren persönlichen Lippenabdruck im Gästebuch für eine künstlerische Dokumentation abzugeben. Am 28.8. wird Evita Emersleben eine Kussmund-Performance in der Ausstellung machen. Vielleicht auch noch öfter, denn ihre persönliche Anwesenheit lässt sich nicht von den Werken lösen.

Text: Matina Lohmüller

Fotos: Jens Weyers