geb. 1962 in Coburg
1987 – 1991 Studium der Bildenden Kunst an der Fachhochschule Ottersberg, Diplom bei Hermanus Westendorp
2004 – 2007 Ausbildung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien, Abschluss an der Handelskammer Bremen
Sabine Schellhorn setzt sich in ihrem künstlerischen Schaffen mit Orten auseinander. Inspiriert von der Geschichte dieser Räume und ihren graphisch-architektonischen Gefügen entwickelt sie Werke über und für diese Orte von zumeist temporärem Charakter. Durch Neuordnung und Verfremdung von Strukturen und Systemen sowie überraschende, teils verblüffende Arbeitsmaterialien findet sie poetisch anmutende Lösungen, in denen sich ihre Orte neu imaginieren können.
Ausgangspunkt von Sabine Schellhorns Arbeit für state of play ** ist der Grundriss des Tor 40. Mehrfach verfremdet und zerlegt findet sich dieser an den Wänden des Ausstellungsmoduls in der Gleishalle wieder und verbindet beide Räume zu einem Ganzen. Die genaue Position der Arbeit, welche die Künstlerin zuerst als digitale Zeichnung angelegt hat, wurde mit dem Beamer sorgfältig ausgewählt. Mehrere Faktoren führen hier zu Teilung, Neuanordnung und zu perspektivischen Verzerrungen der ursprünglichen Grundrisszeichnung. Die Position des Beamers zu den ausgewählten Wänden, der Bruch durch den rechten Winkel der Raumecke, in die projiziert wurde, die Aussparung der Wandfläche am Durchgang und die dadurch entstehenden Erweiterung der Zeichnung: Der im Raumdurchgang ausgesparte Teil wird auf einer zweiten, entfernt liegenden Wand sichtbar. Diese Irritation, die vor allem einsetzt, wenn sich die Betrachter:innen von der zweiten Wand ausgehend nähern, ist gewollt. Der Entstehungsprozess kann somit nachvollzogen werden, durch Sichbewegen im Raum kann die Position gefunden werden, von der aus sich die Linien wieder zusammenfügen.
Für die Umsetzung des Grundrisses direkt an die Wände wird Kehricht eingesetzt, den Sabine Schellhorn vor Ort im ehemaligen Güterbahnhof gesammelt hat. Kehricht ist mit dem Besen zusammengefegter Schmutz. Die Kehrwoche, die als soziales Phänomen penibelst ausgeführte Reinigung gemeinschaftlich benutzter Bereiche in Wohnhäusern und Außenbereichen in Baden-Württemberg, lässt augenzwinkernd grüßen. Auch in Oberfranken, der Heimat der Künstlerin, war es früher zwingend üblich, samstags die Straße zu kehren. Sabine Schellhorn kehrt heute für die Kunst. Ihr Einsatz dient dem Aufbau einer hauchdünnen Schicht von hauptsächlich feinem Staub zur Fixierung des Grundrisses als temporäre Zeichnung. In diesem Staub materialisiert sich auf melancholische Weise die Zeit, die vergangen ist. Staub ist das Fleisch der Zeit (Joseph Brodsky).
Text: Matina Lohmüller
Fotos: Jens Weyers