BBK Jahresausstellung 2022 // Künstler*innen

Tomma Köhler

tomma-koehler.de

geb. 1992 in Sulingen

2013 – 2020 Prof. Andere Korpys und Prof. Markus Löffler, Klasse Raum und Körperkonzept an der Hochschule für Künste Bremen 

2018 – 2020 Prof. Asli Serbest, Klasse für Temporäre Bauten (Temporär Spaces Collective) an der Hochschule für Künste Bremen

2020 – 2021 Meisterschülerin von Prof. Andree Korpys und Prof. Markus Löffler an der Hochschule für Künste Bremen

Gewaltig, 2022, Video-Loop, Ausstellungsansicht
Gewaltig, 2022, Video-Loop, Stills
Gewaltig, 2022, Video-Loop, Stills

Gewaltig, 2022, Video-Loop, Stills

Tomma Köhler hat sich nicht mit einer abgeschlossenen Arbeit beworben, sondern mit einem Arbeitsvorhaben mit einem Video-Loop als Ergebnis. Ausgehend von ihren letzten Arbeiten, die sich an der Grenze zwischen Skulptur und Maske bewegen, hat Tomma Köhler ihre Arbeitsweise weiter entwickelt und stellt die Interaktion mit einem gewaltigen Körper, der viel größer ist als sie selbst, in den Mittelpunkt. In Zusammenarbeit mit einem Gewandmeister schuf sie ein hinreißendes Objekt, ca. 1,70 x 9 x 1,50 Meter groß und 120 kg schwer. Es war ein Riesenaufwand, dieses Teil für einen Video-Loop zu bauen und ist bislang die größte Vorbereitungsarbeit von Tomma Köhler für einen Film. Das Körperwesen hat keine Hautfarbe, um eine Rasse, keine rosa oder blaue Farbe, um ein Geschlecht zu imitieren. Tomma Köhler möchte nicht rassistisch sein, keine Hautfarbe ignorieren. Kein Geschlecht, kein Gender soll zu erkennen sein, das lila Wesen steht für Queerness.

Als Ort des Geschehens wurde das Hallenbad in ihrem Heimatort Sulingen ausgewählt. Anfangs hätte sich Tomma Köhler gut vorstellen können, an einem anderen, ihr nicht so gut bekanntem Ort zu arbeiten, aber jetzt hat sie sich gewissermaßen auf eine Reise in ihre eigene Kindheit und Jugend gemacht und hat sich einen Raum angeeignet, der viel mit Angst und Unsicherheiten besetzt war. Denn besonders in der Jugend ist das eigene Körpergefühlt oftmals mit Unwohlsein verbunden.

Dieses Schwimmbad als Bühne ist für Tomma Köhler ein perfekter Ort für ihre künstlerische Auseinandersetzung mit Körper, Skulptur, Objekt und Performance. Sie arbeitet im Spannungsfeld von Unsicherheit, Nacktheit, Verletzlichkeit, Stolz und Mut. Der große Körper wird performativ erkundet, befühlt, geliebt, umarmt, bespielt. Wie eine Erstickende windet sie sich unter dem Objekt heraus, erklettert das Wesen, zwängt sich in die Dellen und Mulden, schiebt sich darunter hervor, ruht sich auf ihm aus, schmiegt sich an, kuschelt mit ihm, lässt sich vom Rücken herunterfallen, versucht sich zu verstecken, sucht vielleicht nach Nahrung.

Der Film ist gekennzeichnet durch langsame Kamerafahrten über das Objekt, zeigt Tomma Köhlers Interaktion mit ihm, es werden Einzelbilder dazu geschnitten, Eindrücke von Architektur und andere Detailaufnahmen. Weiterhin wird der Film durch Untertitel strukturiert, der erste Teil berichtet von einem Traum, der zweite von konkreten Erinnerungen.
„Ein wiederkehrender Traum, etwas Großes, das sich um etwas Kleines herumdreht, es umschlingt… es zieht im Bauch und kribbelt in der Brust
Fühlen, anfassen, aufwachen…“
Und die Erinnerung: „Es riecht nach Chlor und etwas Urin, wenn ich mich auf die Bank in der Umkleidekabine stelle, es passt immer nur ein Teil meines Körpers in den kleinen quadratischen Spiegel“. Gedanken aus der Umkleidekabine: ist der Bauch auch flach genug? Body Positivity: die unrealistischen und diskriminierenden Schönheitsideale unserer Zeit verändern sich: jeder Körper ist auf seine Weise anders und richtig – egal ob er dünner oder dicker ist.

Text: Matina Lohmüller

Fotos: Jens Weyers